Katrina (56) spricht über das Gemeinschaftsgefühl in ehemaligen Bergbaudörfern – darüber, wie es Menschen bis heute verbindet und zugleich trennt, und über den Stolz, mit dem sie einst die Nation mit Energie versorgten.
„Ich bin Katrina. Ich wurde ’68 geboren. Ich glaube, meine Erinnerungen an das Aufwachsen in dieser Gegend sind, nun ja, die Zechen überall. Fast an jeder Ecke gab es eine. Etwas anderes, das diese Gegend wegen der Zechen prägte, war der Geruch. Das ist etwas, was mir noch sehr stark in Erinnerung ist, dieser richtig starke Kohle-Teer Geruch, der einem richtig im Hals stecken blieb und natürlich immer stärker wurde, wenn man an einer Zeche vorbeiging. Ich glaube, ich war 15, als der Bergarbeiterstreik (Miners‘ Strike) begann. Das war für mich so etwas wie ein politisches Erwachen, die Erkenntnis von: oh, das, worüber im Fernsehen gesprochen wurde, passiert tatsächlich hier, wo ich lebe, nicht nur in London oder anderswo. Es gab eine reale Verbindung zwischen dem, was in der Regierung geschah, und dem, was die Menschen hier betraf.
Mein Vater war kein Bergmann, also waren wir in diesem Sinne nicht direkt involviert. Aber es hatte diesen Dominoeffekt, der alle anderen Branchen hier in der Gegend beeinflusste. Läden schlossen fast jede Woche, weil die Zechen geschlossen hatten und niemand mehr Geld bekam oder die Leute fortzogen, um anderswo oder außerorts zu arbeiten. Also schlossen viele der Geschäfte vor Ort. Das ist etwas, an das ich mich sehr gut erinnere. Noch mehr gab es, glaube ich, auch eine Art psychische Veränderung. Die Leute identifizierten sich mit ihrer Arbeit als Grubenarbeiter, als Bergarbeiter – und genauso waren Frauen eben die Bergarbeiter-Gattinnen. Und dann wurde allen quasi diese Identität genommen. Denn wer war man denn dann? Es war eine Art Identitätskrise. Entweder man erfand sich als Stahlarbeiter neu, oder man ging fort und machte etwas völlig anderes. Oder man fühlte sich, glaube ich, einfach ein bisschen verloren. Dann werden alle sehr nostalgisch über das, was die Zeche einmal war.
Die Nostalgie hier wird immer größer, je älter die Leute werden und je weiter die Schließung der Zechen in die Ferne rückt. Es geht darum, dass nichts vergessen wird. Daraus entsteht dann so etwas wie ein Geschichtstourismus, könnte man sagen, durch den die Leute herausfinden wollen, was hier früher war. Es gibt einen recht starken Wunsch und Antrieb, an einem Teil dieser Identität festzuhalten und ihn zu bewahren, etwa durch die Geschichtsgesellschaft, die wir hier haben. Es geht also um den Stolz auf die eigene Gemeinschaft. Man hat die Nation angetrieben. Ich denke, so sahen es viele Leute, da die Kohle ja ganz offensichtlich an Kraftwerke ging, um Strom zu erzeugen. In vielerlei Hinsicht war man die Lebensader der Nation. Das Gleiche sehe ich in den Stahlwerken. Mein erster Mann arbeitete im Stahlwerk. Sie stellten Stahlplatten für Challenger-Panzer her, worauf alle sehr stolz waren, und es wurden immer diese ballistischen Tests an Materialproben durchgeführt, um sicherzustellen, dass alles den Standards entsprach. Und es war immer ein guter Tag, wenn man sagen konnte, dass man hundert Prozent in der Qualitätskontrolle für den Stahl erreicht hatte, der in dieser Woche produziert wurde. Da war dieser richtige Stolz, dass man die Männer beschützte, wenn sie mit ihren Panzern ausrückten. Die großen Panzer-Stahlplatten und solche Sachen wurden unten in Attercliffe bis rein nach Rotherham, Templeborough, produziert. Das ist heute natürlich alles verschwunden. Übrig geblieben sind nur die ganz präzisen Sache, wie die Herstellung von Skalpellen und chirurgischen Instrumenten, die sehr viel mehr spezialisiert und winzig klein sind. Nicht die großen Walzwerke und solche Dinge.
Ich bin nach Kiveton gezogen, kurz bevor ich meinen zweiten Mann kennengelernt habe. Als er herzog, er lebte damals in Leeds, konnte er kaum glauben, wie freundlich es hier war und wie stark das Gemeinschaftsgefühl im Vergleich zu dort war. Ich weiß nicht, ob Kiveton in dieser Hinsicht etwas Besonderes ist, was andere Orte vielleicht verloren haben. Das ist zumindest mein Eindruck. Wir haben immer noch dieses Gemeinschaftsgefühl. Es mag vielleicht nur ein Teil einer kleinen Straße oder einer Siedlung sein, in der die Menschen eng verbunden sind. Oder es mag durch Interessengruppen zum Ausdruck kommen. Vielleicht haben wir jetzt einfach viele kleine Gemeinschaften innerhalb einer großen. Während sich früher alles um einen Arbeitgeber drehte, also die Zeche. Ich denke, es ist immer noch da. Ich denke, die Freundschaft, das Gemeinschaftsgefühl, der Zusammenhalt, die Hilfsbereitschaft, die Menschlichkeit existieren weiter und sind immer noch sehr stark hier.
Wir haben ein starkes Gemeinschaftsgefühl gezeigt, als der Ort vor ein paar Jahren für sechs oder sieben Tage eingeschneit war. Die Leute, die Autos mit Allradantrieb hatten, haben Milch und andere Sachen für ihre Nachbarn geholt und so. Sachen gemeinsam zu machen und dafür zu sorgen, dass sich die Leute beteiligen, beeinflusst das Gemeinschaftsgefühl und den Zusammenhang enorm, den wir als Gruppe haben, genauso wie zu realisieren, dass dies der Ort ist, wo wir alle gemeinsam leben und dass es ein schöner Ort zum Leben ist und wir uns alle bemühen wollen, dass es ein schöner Ort zum Leben bleibt. Für mich geht es um Gemeinschaft, es geht um die Menschen hier und darum, wie man sich gegenseitig hilft. Das ist es auch, was während der Corona-Zeit so gut geholfen hat, dass die Leute ihren Nachbarn und Freunden helfen wollten. Ich glaube, dass gerade solche Krisensituationen wie Corona die Menschen wirklich zusammenbringen. Ich weiß, dass das anderswo auch so war, aber ich denke, dass gemeinschaftliche Aktionen einen wirklich großen Einfluss darauf haben, wie man über seinen Wohnort und die nähere Umgebung denkt und was einem die Gemeinschaft dort bedeutet.
Unser Dorf ist in gewisser Weise einzigartig, weil die alten Bergarbeiterbüros noch stehen, inzwischen ein Kulturzentrum sind. Die Leute vor Ort haben geholfen, das Gebäude zu retten. Sie haben einen Verein gegründet (Community Development Trust) und sie haben Fördergelder aus dem Heritage Lottery Fund gewonnen, mit denen unter anderem die Einrichtung der Geschichtsgruppe und der Website finanziert werden konnten. Ursprünglich wurden die Bergarbeiterbüros umgebaut, um Bildung und Weiterbildung zu fördern. Also man hat dort viele verschiedene Kurse angeboten. In den 1990er-Jahren gab es dort zum Beispiel Computerkurse, als alle PCs für zu Hause kauften. Es wurden noch viele andere kleine Sachen angeboten. Aber ich denke, diese Sachen fanden nur statt, da sich engagierte Leute fanden, die die Initiative ergriffen. Ich arbeitete in dem Zentrum von 2016 bis 2018 als Beauftragte für Gemeindeentwicklung. Wir initiierten Sachen, wie einen Mittagstisch für Senioren, obwohl wir zu Beginn nicht einmal eine Küche hatten und ich das Essen zu Hause kochen und mitbringe musste. Ich glaube, die Leute übersehen häufig, dass es engagierte Menschen braucht – nicht nur hier, sondern überall – und denken, dass Dinge einfach von selbst passieren, aber das tun sie nicht. Man braucht stets Menschen mit etwas Antrieb und Leidenschaft, um Dinge voranzubringen.
Als ich in den Bergarbeiterbüros für die Gemeindeentwicklung gearbeitet habe, da habe ich 2017 auch ein Picknick auf dem alten Zechengelände organisiert, um das 150-jährige Jubiläum der Schachteröffnung zu feiern. Es war ein großes Fest für die gesamte Gemeinschaft mit Bands und vielen kleinen Angeboten. Ich dachte, es wäre auch sehr schön, etwas für Kinder anzubieten und habe daher einen ehemaligen Bergarbeiter kontaktiert, um ihn zu bitten, lustige Kindergeschichten zu erzählen. Sobald ich ihm sagte, wo wir sind, meinte er: „Oh, das ist Rotherham, oder?“ Ich sagte: „Ja.“ „South Yorkshire?“ „Ja.“ „Tut mir leid, meine Liebe, dann kann ich nicht kommen.“ Er war aus Mansfield in Nottinghamshire. Er sagte: „Wenn jemand herausfindet, dass ich in South Yorkshire war und dort mit ehemaligen Bergleuten gesprochen habe, schmeißt man mir ein Ziegelstein durchs Fenster.“ Die Feindseligkeit zwischen Nottinghamshire und South Yorkshire ist also auch 30 Jahre nach der Schließung der Zechen noch spürbar.“