Als Keynote-Speaker auf der jährlichen Konferenz der PSA „Media Politics Group“ sprach Professor Darren Lilleker über Nostalgie als zentrales Merkmal der Erinnerungskultur in ehemaligen Industriestandorten. Der Vortrag basierte auf Daten aus Erzählcafés in Rotherham sowie auf Reaktionen auf Bilder, die zur Erinnerung an die Kohlemine Silverwood in Maltby, nahe Rotherham, geteilt wurden.
Im Fokus stand die kollektiven Erinnerung an die Schwerindustrie. Trotz der gefährlichen und anspruchsvollen Arbeitsbedingungen blicken viele ehemalige Arbeiter mit Stolz zurück: auf ihre Arbeit, den Respekt der ihnen entgegegen gebracht wurde, ihre Rolle als produktive Kraft für die Nation und die starke Kameradschaft als Teil eines großen Arbeitsbereichs. Auch die Solidarität der Gewerkschaften, insbesondere mit Blick auf die Forderung nach mehr Rechten und gegen Schließungen von Zechen und Fabriken, wird bis heute mit Stolz erinnert. Dieser Rückblick steht jedoch oft im Kontrast zu den stärker atomisierten Gemeinschaften, die nach den Schließungen entstanden sind.
Die sehnsüchtige Erinnerung an diese Vergangenheit macht viele Menschen empfänglich für Narrative, die Stärke und Einheit der damaligen Gemeinschaften mit nationalem Stolz und wirtschaftlicher Sicherheit verbinden. Diese Erinnerungen sind jedoch häufig auch von traditionellen Geschlechterrollen und einem Widerstand gegen moderne „politische Korrektheit“ geprägt – Themen, die im sogenannten Kulturkampf zu Polarisierungen in Großbritannien geführt haben. Postindustrielle Gemeinschaften fühlen sich oft verachtet, da sie auf der „falschen“ Seite dieser Konflikte wahrgenommen werden. Gerade diese Positionierung kann gleichzeitig zur Entwicklung eines starken Gefühls von Stolz hinsichtlich traditioneller Werte und Ansichten beitragen, was sie anfällig für populistische und rechtspolitische Äußerungen macht.
Diese Faktoren erklären zum Teil den hohen Zuspruch, den Parteien wie die British National Party, UKIP, die Brexit-Partei und zuletzt Reform UK, die in den letzten Jahrzehnten in Regionen wie Yorkshire & the Humber und North West bedeutende Wahlergebnisse erzielten. Die Vergangenheit wird hier nicht nur als Quelle der Identität gesehen, sondern auch als Instrument für politische Mobilisierung – mit all ihren Chancen und Herausforderungen.
Ein weiterer Vortrag auf der Konferenz, geleitet von Dr. Maike Dinger, beschäftigte sich mit den sogenannten „Red Wall“-Wahlkreisen. Diese werden beschrieben als homogene Wahlkreise in Nord-und Mittelengland, wobei wirtschaftliche wie soziale Unterschiede ignoriert werden. Konservative Wahlkampfplaner etablierten diese Wahlkreise als strategisch bedeutsam für einen Sieg in der landesweiten Wahl 2019, da dort traditionelle Werte, starke Zustimmung für den Brexit sowie die Abneigung gegenüber Jeremy Corbyns internationalistischem Sozialismus wichtige Anknüpfungspunkte für die Agenda der Konservativen boten.